Historischer 7-Zoll-Zeiss-Refraktor
Vorgeschichte
Ursprünglich stand in der Hauptkuppel der Sternwarte ein noch älteres Teleskop.
1890 erstand der Industrielle Villeroy (Villeroy & Boch) in Paris eine Objektivlinse (Achromat, 8,8“=220mm Öffnung, 2820mm Brennweite) und baute sie in einen konischen Tubus aus Stahlblech ein.
1911 kaufte Prof. Anton Staus das Fernrohr von Villeroys Sohn und stellte es 1922 der Sternwarte Stuttgart zur Verfügung.
Anton Kutter beobachtete damit 1924 die Marsopposition und bemerkte das bessere Bild gegenüber einem formal gleichwertigen Spiegelteleskop. Diese Erkenntnis führte schließlich zu seiner Entwicklung des Schiefspieglers.
Während des 2. Weltkrieges war das Teleskop ausgelagert. Durch Brandeinwirkung wurden die meisten Teile des Teleskops zerstört oder stark beschädigt.
Prof. Dr. Anton Staus
(Bild: „40 Jahre Sternwarte Stuttgart“, Schwäbische Sternwarte e.V. 1962)
Provisorisch wieder hergerichtet kehrte dieser „Villeroy-Refraktor“ nach dem Krieg nur kurz wieder in die Hauptkuppel zurück, diente aber in umgebautem Zustand noch von 1971-1999 als Vorläufer des 16″-Newton-Teleskops auf der Terrasse.
Geschichte des Zeiss-Teleskops
Plakette auf dem Zeiss Teleskop
Heute steht in der großen Kuppel der Sternwarte ein historisches Teleskop der Firma Zeiss.
Dieser sogenannte „Eisemann-Refraktor“ wurde vermutlich (fast alle Unterlagen bei Zeiss gingen im 2. Weltkrieg verloren) um 1911 gefertigt.
Der Fabrikant Ernst Eisemann aus Korntal erwarb dieses Teleskop. Er hatte mehrere Patente und insbesondere mit seinen Erfindungen zur Zündkerze, die er auch in seiner eigenen Fabrik fertigte, erlangte er einen gewissen Wohlstand. Für seine Villa in Korntal-Münchingen (das erste Haus mit elektrischer Beleuchtung am Ort) kaufte er sich das Zeiss-Teleskop. Als in den Zwischenkriegsjahren seine Firma in Schwierigkeiten geriet, wurde sie schließlich in die Firma Bosch eingegliedert. Er selbst arbeitete noch eine Zeitlang für Bosch weiter. Es ist anzunehmen, dass er hier weitere Personen für die Astronomie begeistern konnte. So baute z.B. 1934 der führende Bosch-Mitarbeiter Hermann Fellmeth die heutige Universitätssternwarte Pfaffenwald.
Im Jahr 1948 – Ernst Eisemann war schon länger verstorben – stellte seine Tochter Auguste Kessler aus Wasseralfingen sein Zeiss-Teleskop der Sternwarte Stuttgart zur Verfügung. Zum 30-jährigen Jubiläum der Sternwarte stiftete sie es 1952 dem Verein.
Im Laufe der Jahre wurden unterschiedliche weitere Teleskope „huckepack“ zum Zeiss-Teleskop montiert.
In den Jahren 1991/92 wurde dann das Teleskop mit großem Einsatz von Vereinsmitgliedern fachmännisch restauriert und im Wesentlichen in seinen jetzigen Zustand gebracht. Lediglich das H-alpha-Teleskop wurde 2011 durch ein deutlich leistungsfähigeres Modell ausgetauscht. Im Jahr 2011 konnte dann auch schließlich das 100-jährige Jubiläum des Zeiss-Teleskops mit einem großen Festakt gefeiert werden.
Auguste Kessler
(Bild: „40 Jahre Sternwarte Stuttgart“, Schwäbische Sternwarte e.V. 1962)
Nach einer Beschädigung durch Rauchgas beim Brand der Sternwarte 2015 wurde das Teleskop zuletzt 2016/2017 durch die Firma 4H Jena umfassend gereinigt und restauriert.
Festakt zum 100-jährigen Jubiläum des Zeiss-Teleskops
Fernrohre mit einer mechanischen Präzision wie das Zeiss-Fernrohr werden in dieser Größe heute gar nicht mehr hergestellt. Aus diesem Grund ist das Zeiss-Fernrohr heute unbezahlbar.
Zahlen und Fakten zum Teleskop
Öffnung | 7″ (175 mm) |
Brennweite | 2590 mm |
Öffnungsverhältnis | f/15 |
Bauart | Achromat (Linsenteleskop mit zwei Linsen) |
Hersteller | Carl Zeiss Jena |
Auflösungsvermögen | 0,77″ |
Lichtsammelvermögen (Dieser Wert gibt an wie viel mehr Licht das Teleskop im Vergleich zum menschlichen Auge sammelt) | 625 |
Typisch verwendeter Vergrößerungsbereich | ca. 60-fach bis 250-fach |